Menschen entscheiden. Tagtäglich fällen wir eine Vielzahl an Entscheidungen . Einigen fällt es leichter und entscheiden in der Sekunde, andere zögern und schieben Entscheidungen hinaus. Unabhängig davon, ob schnell oder langsam, bedacht oder aus dem Bauch heraus entschieden wird, ist die Frage interessant, ob überhaupt richtig entschieden werden kann. Dazu klären wir vorab: Was sind überhaupt gute und rationale Entscheidungen?
Die Qualität von Entscheidungen
Es ist möglich, die Qualität von Entscheidungen anhand ihrer Ergebnisse zu messen. Der Erfolg oder Misserfolg ist allerdings kein gültiger Maßstab. So kann ein Wertpapierkauf nach sorgfältiger Analyse eine gute Entscheidung sein, selbst wenn der Kurs – aufgrund von gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen (oder einer nichtvorhersehbaren Nachricht – abstürzt. Im Gegenzug ist ein Gewinn beim Roulette – z.B. wenn auf eine einzelne Zahl gesetzt wird – kein Hinweis auf eine rationale Entscheidungsfindung. Es muss somit eine klare Unterscheidung zwischen einer rationalen und einer erfolgreichen Entscheidung getroffen werden.
Es gilt als irrational, Entscheidungen auf Prämissen zu gründen, die sich widersprechen. Solche Prämissen betreffen zum einen den Umgang mit Wahrscheinlichkeiten, zum anderen die Bildung von Präferenzen. Die wichtigsten Forderungen an konsistente Entscheidungsgrundlagen sind:
- Zukunftsorientierung
- Transitivität
- Invarianz
- Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen
Rationale Entscheidungen beruhen auf einem mathematisch-logischen Zugang und Verständnis.
Zukunftsorientierung
Die Forderung der Zukunftsorientierung verlangt, Entscheidungen nur auf alternativen, in der Zukunft liegenden Situationen zu begründen. Aus Sicht der Zukunftsorientierung istes irrational, wenn Vergangenes, also nicht mehr Änderbares, die Wahl beeinflusst. Die Vergangenheit kann durch aktuell anstehende Entscheidungen nicht mehr verändert werden. So sollen auch Verluste von früher (sog. sunk costs) nicht in die Überlegungen des Entscheidungsprozesses einfließen. Werden diese dennoch in der Entscheidung berücksichtigt, so kommt es zu einer Verzerrung – der sog. „Sunk Costs Fallacy“.
Transitivität
Die Transitivität entstammt der formalen Logik und beschreibt die Eigenschaft von Relationen. Wenn ein Entscheider X gegenüber Y und Y gegenüber Z präferiert, dann sollte er auch X gegenüber Z präferieren. Auch wenn die Forderung nach Transitivität plausibel und verständlich klingt, wird diese manchmal verletzt und kann negative Folgen nach sich ziehen. Es besteht die Gefahr, dass der Entscheider in eine Art Kreislauf gerät und von einer Option zur nächsten zirkulär voranschreitet, ohne dabei zu einem Schluss zu gelangen.
Invarianz
Invarianz fordert, dass die Entscheidung immer gleich ausgehen sollte, unabhängig davon, wie die Wahlmöglichkeiten dargestellt werden. Ein bekanntes Beispiel, das die Forderung nach Invarianz unterstreicht, ist das sogenannte „Asian Disease Problem“ von Tversky und Kahneman:
Man gehe davon aus, dass eine ungewöhnliche asiatische Krankheit bevorsteht, die 600 Todesopfer fordern wird. Zwei alternative Maßnahmen wurden entwickelt:
Wenn Maßnahme A ausgeführt wird, werden 200 Menschen gerettet. Wenn Maßnahme B ausgeführt wird, werden mit 1/3 Wahrscheinlichkeit alle gerettet und mit 2/3 Wahrscheinlichkeit niemand. Welche Maßnahme bevorzugen Sie?
Bei dieser Darstellung der Möglichkeiten wählen die meisten Befragten die Maßnahme A. Anders hingegen fällt die Entscheidung aus, wenn das gleiche Problem anders beschrieben wird:
Wenn Maßnahme A ausgeführt wird, werden 400 Menschen sterben. Wenn Maßnahme B ausgeführt wird, wird mit 1/3 Wahrscheinlichkeit niemand sterben und mit 2/3 Wahrscheinlichkeit alle 600. Welche Maßnahme bevorzugen Sie?
In der abgeänderten, zweiten Entscheidungssituation wählen die meisten Befragten die Maßnahme B. Der einzige Unterschied liegt lediglich in der Beschreibung der Situation. Dies stellt somit eine Verletzung der Forderung nach Invarianz dar.
Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen
Die Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen besagt, dass das Vorhandensein oder die Veränderung von nicht relevanten Wahlmöglichkeiten keinen Einfluss auf die Entscheidung haben sollte. Die Bedeutung dieser Forderung sei mit folgendem Beispiel illustriert:
Als mögliche Optionen für einen Städtetrip konnten Rom und Paris eingegrenzt werden, der finale Wunsch fällt auf Rom. Als die Wahl dem Mitarbeiter im Reisebüro zwecks Buchung mitgeteilt wird, weist dieser noch auf eine interessante Alternative hin, nämlich London. Nach kurzer Überlegung über die drei Optionen fällt dann schlussendlich die Entscheidung doch auf Paris.
Eine solche Entscheidung gilt als nicht rational. Die irrelevante Alternative London sollte die Präferenz bezüglich der ursprünglichen Wahl nicht beeinflussen.
Die vorgestellten Forderungen an den Entscheider im Sinne der Rationalität und an die Konsistenz der Entscheidungsgrundlagen erscheinen mehr oder weniger (selbst)verständlich. Dennoch wird zumeist auch in einfachen Entscheidungssituationen gegen diese verstoßen. Der Umstand, dass das menschliche Entscheiden oft im Gegensatz zu den grundlegenden Rationalitätspostulaten steht, unterstreicht den Stellenwert sich mit diesem Thema gezielt auseinander zu setzen z.B. durch das Entwickeln eines persönlichen Entscheidungsprofils, dem Schärfen des Bewusstseins im Zuge eines Trainings oder dem Entwickeln einer Entscheidungskultur in einer Organisation.
Schauen wir uns doch gemeinsam an, wie das Thema Entscheiden in Ihrer Organisation entwickelt werden kann.
Im nächsten Artikel geht um es die persönlichen Entscheidungspräferenzen
Eine gute Übersicht zu den Beeinflussungen im Entscheidungsprozess (Biases) gibt es im Cognitive Bias Cheat Sheet – Because Thinking is hard